Ungewollt schnell gefordert war das neugebildete Funktionsteam „Kaderplanung“ des ASV Hamm-Westfalen in der vergangenen Woche, als der Handball-Zweitligist ASV Hamm-Westfalen auf die Verletzung von Torwart Marcos Colodeti reagierte und Routinier Nikolas Katsigiannis nachverpflichtete.
Mehrere Kandidaten waren in Frage gekommen, ein junger Spieler war auch zum Probetraining eingeladen worden. Am Ende entschied man sich für den gebürtigen Bergkamener, der am Freitag gegen den TSV Bayer Dormagen gleich einen hervorragenden Einstand hatte und fünf Paraden in der Schlussviertelstunde zeigte. „Es musste schnell gehen, dennoch wollten wir natürlich die bestmögliche Entscheidung treffen und möglichst viele Optionen abwägen“, erklärt Micky Reiners den Vorgang. Er war am Prozess der Auswahl mit Cheftrainer Michael Hegemann, Manager Markus Fuchs und Geschäftsführer Franz Dressel beteiligt.
Aus diesen Personen besteht nämlich das neugebildete Funktionsteam „Kaderplanung“ beim ASV Hamm-Westfalen. Es ist im Profibereich verantwortlich für die Zusammenstellung des Kaders, Gespräche mit Spielern und Beratern und für das Scouting. Schnittstelle zu den Leistungsmannschaften des Unterbaus in der A-, B- und C-Jugend sowie der zweiten und dritten Männermannschaft ist Micky Reiners, der bereits seit vier Jahren das Ressort Sport bei den Amateuren verantwortet und das ebenfalls kürzlich neugebildete Funktionsteam „Strategische Entwicklung“ leitet, in dem die Profi-GmbH sowie der geschäftsführende Vereinsvorstand vertreten sind. „Hier geht es um die Verzahnung von Leistungsmannschaften des Vereins und der Profis. Es geht um Entwicklung von Konzepten zur nachhaltigen Förderung von Talenten und um Verbesserung der internen Strukturen“, erklärt Micky Reiners, selbst auch Inhaber der Trainer-A-Lizenz, die Aufgaben.
Im Falle der Torhüterverpflichtung erhielten die Kaderplaner zudem weitere fachliche Unterstützung. So beschäftigte sich auch Torwarttrainer Stephan Nocke mit den möglichen Kandidaten und stellte Videomaterial zu den Kandidaten zusammen. „Wir beraten Personalien immer auch im gesamten Trainerteam“, bezieht Cheftrainer Michael Hegemann immer auch Co-Trainer Marvin Wettemann mit ein. Franz Dressel: „Der Grundgedanke hinter diesen Vorgängen ist, dass wir versuchen das vorhandene Wissen und die Netzwerke zu bündeln. Auf dem Papier hört sich das zunächst vielleicht unspektakulär an, in Summe ist es für uns aber ein struktureller Schritt nach vorne.“ Verpflichtungen dürften künftig viel stärker immer im Sinne des Gesamtkonstrukts gedacht werden, als es vielleicht in der Vergangenheit beim ASV der Fall gewesen ist.

Mit Katsigiannis gegen Dormagen
Es war tatsächlich nicht der erste Anlauf für alle Beteiligten, nach rund 15 Jahren hat es nun gepasst: Torwart Nikolas Katsigiannis wird ab sofort ein Westfale und am Freitag bereits seine Premiere im Heimspiel gegen den TSV Bayer Dormagen (ab 19:30 Uhr) feiern. Handball-Zweitligist ASV Hamm-Westfalen reagierte mit der Verpflichtung des 42-Jährigen auf die Verletzung von Stammtorhüter Marcos Colodeti, der sich am Wochenende beim Auswärtsspiel in Coburg das Schienbein gebrochen hatte und nun monatelang fehlen wird. Der in Bergkamen aufgewachsene Deutsch-Grieche erhält einen Vertrag bis zum Saisonende. Nach erfolgreich absolviertem Medizincheck und Vertragsunterzeichnung äußerte sich Katsigiannis im Interview zu seinem Engagement beim ASV.
Der ASV war aufgrund der Verletzungsmisere kurzfristig auf Torwartsuche. Wann hat das Telefon geklingelt?
Nikolas Katsigiannis: „Zuallererst möchte ich natürlich auf diesem Wege Marcos Colodeti gute Besserung wünschen. Der Anlass für meine Verpflichtung ist entsprechend kein erfreulicher, aber ich freue mich auf den ASV. Franz Dressel hat am Sonntag angerufen, als klar war, dass ein längerer Ausfall droht. Ich habe in den letzten Monaten einige Anfragen abgelehnt, etwa aus Dänemark, Schweden oder Griechenland. Jetzt bei der Anfrage aus Hamm hat alles gepasst. Das ist ja quasi Heimat für mich. Ich freue mich riesig darauf, wieder Handball zu spielen. Das hat mir in den zurückliegenden Wochen wirklich gefehlt.“
Griechenland ist ein gutes Stichwort. Mit Vyron Papadopoulos und zuletzt Savvas Savvas waren schon Spieler mit griechischen Wurzeln beim ASV. Gab es da Kontakt?
Nikolas Katsigiannis (lacht): „So direkt nicht. Savvas Savvas kenne ich nur als Gegenspieler. Aber es gibt da eine schöne Anekdote. Wir haben mal festgestellt, dass mein Vater und sein Opa zusammen in Griechenland zur Schule gegangen sind. Auch im aktuellen ASV-Kader ist niemand, mit dem ich zusammengespielt habe.“
Im Sommer endete das Engagement beim TuS Nettelstedt-Lübbecke. Wir groß ist dennoch die Nähe zur 2. Handball-Bundesliga?
Nikolas Katsigiannis: „Auf jeden Fall noch immer groß. Ich habe weiterhin die Spiele vor allem meines Ex-Vereins verfolgt. Und ich habe ja zuletzt zwei Jahre in der 2. Liga gespielt, kenne also die meisten Vereine noch ganz gut. Aber diese Saison ist die Liga schon besonders, die Leistungsdichte ist nicht nur unglaublich eng, sondern in Summe auch wirklich hoch. Das haben beispielsweise die Pokalergebnisse gezeigt: Ich denke, dass noch nie so viele Zweitglisten Erstligisten aus dem Pokal geworfen haben, wie in diesem Jahr.“
Welche Rolle hat der ASV in diesem engen Feld?
Nikolas Katsigiannis: „Der ASV ist ein sehr ambitionierter Zweitligist, bei dem sehr professionell gearbeitet wird. Auch den Erstligaabstieg hat man beim ASV sehr gut verarbeitet und direkt wieder eine tolle Rolle gespielt. Die Region ist sehr handballbegeistert, im Grunde ja schon immer. Ich freue mich, dass es jetzt mit dem ASV und mir geklappt hat. In der Vergangenheit hat einfach immer irgendetwas nicht gepasst, entweder bei mir nicht, wo ich aus der 1. Liga nicht rauswollte, oder beim ASV nicht, wo dann die die Torhüterstellen besetzt waren.“
Gab es schon Kontakt zum Trainerstab und Trainer Michael Hegemann?
Nikolas Katsigiannis: „Selbstverständlich. Michael Hegemann kenne ich aus einer Reha-Auszeit in Duisburg und natürlich immer wieder als Gegenspieler. Ich habe nie mit ihm zusammengespielt. Aber man kennt sich so aus der aktiven Zeit. Seine Spielphilosophie gefällt mir sehr gut.“
Nur eine gemeinsame Trainingseinheit ist vor der Premiere gegen Dormagen – was ist mit so einer Vorbereitung überhaupt möglich?
Nikolas Katsigiannis: „Das ist natürlich keine normale Vorbereitung, aber das geht nun mal in dieser Situation nicht anders. Die Karten hat man bekommen und damit spielen wir jetzt. Es ist auf jeden Fall einfacher, einen Torhüter so kurzfristig zu integrieren, als einen Feldspieler. Ich kenne die Dormagener noch aus dem letzten Jahr.“

Marcos Colodeti operiert
Sportlich hat der ASV Hamm-Westfalen die zurückliegende Englische Woche mit 5:1 Punkten hervorragend hinter sich gebracht. Die personelle Lage hat sich währenddessen allerdings bei den ohnehin verletzungsgeplanten Westfalen noch weiter verschlechtert.
So landete der zuvor muskulär angeschlagene Tom Jansen bei seiner Rückkehr ins Aufgebot am Mittwoch gegen VfL Lübeck-Schwartau durch eine Bänderverletzung im Fuß gleich wieder auf der Verletztenliste. Dort standen ohnehin schon Philip Jungemann (Reha nach OP), Felix Hertlein (Knieprobleme), Mark Artmeier (Gehirnerschütterung) ebenso wie Jakub Sterba, der unter einer Sehnenentzündung leidet und dem ASV in diesem Kalenderjahr wohl nicht mehr helfen kann.
Dies trifft nun auch noch auf Torwart Marcos Colodeti zu, der sich nach einer Dreiviertelstunde beim Spiel in Coburg am Samstag einen Schienbeinbruch zugezogen hatte, der am Montagmorgen gleich in der Hammer St. Barbara-Klinik operiert wurde. „Das ist so unglaublich bitter für Marcos und natürlich auch für uns alle“, bedauerte Cheftrainer Michael Hegemann die Verletzung des brasilianischen Nationalkeepers, der dem ASV nun für mehrere Monate fehlen wird. „Wir alle wünschen ihm gute Genesung“, so Hegemann weiter, für den die Devise nun „Eng zusammenrücken“ lautet.
Da allerdings auch Torwart Felix Hertlein weiterhin an seinen Knieproblemen laboriert, werden nun auch Überlegungen hinsichtlich einer Nachverpflichtung auf der Torwartposition angestellt. „Wir sondieren derzeit alle Möglichkeiten“, bestätigte Hegemann.



Bärenstarker 34:24-Auswärtssieg
Der ASV Hamm-Westfalen hat auch sein fünftes Rückrundenspiel in der 2. Handball-Bundesliga souverän für sich entschieden. Auch ohne den grippenkranken Trainer Michael Lerscht und ohne den ebenfalls erkrankten Mark Artmeier sowie den noch aus dem Minden-Spiel angeschlagenen Yonatan Dayan setzte sich der ASV beim Aufsteiger TuS Vinnhorst mit 34:24 (16:12) durch. Zwei Akteure in einer insgesamt starken Gästemannschaft drückten der Partie dabei ihren Stempel auf: ASV-Torwart Marcos Colodeti zeigte eine sensationelle Leistung. Er parierte insgesamt fast 50 Prozent der Bälle und wehrte insgesamt 22 Würfe ab. Offensiv überragte zudem Nico Schöttle mit elf Toren.
Fünf Minuten brauchten die Westfalen, um ins Spiel beim Aufsteiger zu finden. Eine frühe Zeitstrafe gegen Abwehrchef und einige Unkonzentriertheiten ermöglichen dem TuS eine 5:1-Führung. Co-Trainer Jens Gawer, der kurzfristig die Leitung an der Bank übernahm, rief sein Team in einer frühen Auszeit zu mehr Besonnenheit auf. Und die setzte das in der Folge immer besser um. Tor um Tor spielten sich die Westfalen heran, Kreisläufer Jonas Stüber glich in der 17. Minute zum 9:9 aus. In der 21. Minute gelang dann Rechtsaußen Jakub Sterba, der erneut insgesamt bei sechs Würfen nur einmal nicht traf, das Tor zum 11:10 und zur ersten Gästeführung. Bis zum 12:12 legte der ASV immer vor, Vinnhorst glich aus.
Danach sollten die Gäste endgültig die Kontrolle über die Partie übernehmen. Gut sechs Minuten lang ließ die Abwehr des ASV gemeinsam mit dem überragenden Torwart Colodeti im Rücken keinen Treffer mehr zu. Vorne stellten Florian Scheerer, Alexander Schulze und Sterba eine 15:12-Führung her, die Colodeti selbst mit einem Treffer ins leere TuS-Gehäuse zum 16:12-Pausenstand veredelte.
Genau vier Minuten lang hielt das ASV-Abwehrbollwerk auch im zweiten Abschnitt, erst dann erlöste Matthias Hild die Fans des Aufsteigers mit seinem Tor zum 13:17. Doch der Favorit hatte längst die Fäden in der Hand und spielte seine Stärken souverän aus. Immer wieder fanden die Akteure – allen voran Nico Schöttle – Lücken in der Abwehr und bauten so den Vorsprung immer weiter aus. Wenn es nicht aus dem Rückraum oder von Außen gelang, dann fanden die Westfalen den Weg über den Kreis, wo Jonas Stüber bei seinen vier Toren ohne Fehlwurf blieb. Und der Brasilianer im Tor der Westfalen zeigte weiterhin eine spektakuläre Parade nach der anderen – nach zwölf Paraden im ersten Abschnitt legte er nochmal neun in Halbzeit zwei nach.
Am Ende feierten die Gäste, die sich auch von der Roten Karte gegen Kapitän Fabian Huesmann elf Minuten vor dem Ende nicht mehr aus der Ruhe bringen ließen, den fünften Rückrundsieg und eine gelungene Premiere für Neuzugang Marc-André Haunold. Der Österreicher bekam nach einem unterzahlbedingten Kurzeinsatz in Halbzeit eins im zweiten Abschnitt noch einige Spielanteile und führte sich mit einigen Vorlagen und in der 50. Minute mit seinem ersten Tor für den ASV ein.
Am kommenden Freitag geht es dann für die Westfalen weiter, diesmal wieder in der heimischen WESTPRESS arena gegen den HSC Coburg. Anwurf ist um 19:30 Uhr.
TuS Vinnhorst – ASV Hamm-Westfalen 24:34 (12:16)
TuS: Kristoffersen (4 Paraden, 21 %), Hanemann (4 Paraden, 19 %) – Mileta (2), Buntic (1), Ruddat (1), Eberlein (3), Lungela (2), Siegler (2), Mazic (1), Gertges (3), Hagen (1), Timm (3), Mussner, Schröder, Durmaz, Hild (5)
ASV: Colodeti (21 Paraden, 49 %), Hertlein – Huesmann (1, 1/2 7m), Fuchs, Schöttle (11), Scheerer (2), Schulze (1), Sterba (5), Jungemann, Zintel (3), Haunold (1), Bornemann, Stüber (4), von Boenigk (5),
Schiedsrichter: Nils Hennekes, Moritz Hartmann
Zeitstrafen: TuS 8 min, ASV 8 min, Rote Karte Huesmann (49.)
Zuschauer: keine Angabe (Kap. 1.150)
ASV verpflichtet brasilianischen Nationaltorwart
Zum ersten Mal hat der ASV Hamm-Westfalen ab dem Sommer einen Brasilianer in seinen Reihen: Marcos Vinicios Colodeti wechselt zur neuen Spielzeit vom 17-fachen slowakischen Serienmeister Tratran Prešov nach Westfalen.

Neuzugang Marcos Colodeti freut sich auf seine neue Wirkungsstätte WESTPRESS arena. – Foto: Kaufmann/ASV
Mit Prešov startete der 27-Jährige in dieser und den beiden Vorsaison in der EHF European League und feierte 2021 und 2022 die Meisterschaft in der Extraliga, in diesem Sommer unterlag der Club in den Play Offs im Finale knapp mit 2:3 Spielen Povazska Bystrica. Am Dienstagmittag stellte der ASV, der in diesen Tag in seiner neuen sportlichen Heimat weilt, persönlich im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vor, der sich „riesig auf die Aufgabe in Hamm freut“, wie der Torwart-Neuzugang betonte. Colodeti erhält einen Zwei-Jahres-Vertrag bei den Westfalen.
„Dass wir einen neuen Torhüter brauchten, war ja mit dem anstehenden Karriereende von Vladimir Bozic klar“, erklärte Trainer Michael Lerscht, der durch ein Beraternetzwerk auf den Brasilianer aufmerksam wurde. „Ich habe dann sehr viel Video geschaut und wir haben sehr viel telefoniert. Mir gefiel sein Torwartstil. Sein offenherziges, brasilianisches Temperament ist sicher auch eine Bereicherung für uns und wird sicher nicht nur auf dem Feld, sondern auch neben dem Feld“, so der ASV-Trainer weiter.
Für Marcos Colodeti gehe mit der Verpflichtung durch Hamm, an der auch sein Vorgänger Vladimir Bozic in seiner neuen Rolle als Spielerberater mitwirkte, ein Traum in Erfüllung, betonte der Brasilianer, der immer schon gerne in Deutschland spielen wollte und nun für Hamm sein Bestes geben will, „auch wenn es für eine Zielsetzung zur neuen Saison noch zu früh sei“, so Colodeti. Dies bekräftigte auch Trainer Michael Lerscht: „Wir wollen nun die verbleibenden drei Spiele in der 1. Liga bestmöglich absolvieren. Danach haben wir uns alle gemeinsam die fünf Wochen Sommerpause verdient. Am 17. Juli starten wir über die Vorbereitung und kommen erstmalig als Gruppe zusammen.“ Vor diesem Start absolviert Colodeti noch einen Lehrgang mit der brasilianischen Nationalmannschaft, zu dessem Aufgebot er seit kurzem zählt. Die Zielsetzung für das Nationalteam ist die Qualifikation für das Olympische Handballturnier in Paris.
Gemeinsam mit Colodeti werden beim ASV-Trainingsauftakt auch erstmalig Rechtsaußen Jakub Sterba (TSV Bayer Dormagen) und Kreisläufer Philip Jungemann (HC Elbflorenz Dresden). Verlassen werden den ASV im Sommer Vladimir Bozic (Karriereende), Jan Pretzewofsky (TSG Altenhagen-Heepen), Tim Wieling (TuS Nettelstedt-Lübbecke), Benjamin Meschke (Pfadi Winterthur), Mait Patrail (Ziel unbekannt), Noah Moussa (Wölfe Würzburg) und Lars Kooij (TV Emsdetten).